Bisherige digitale Stationen von Thomas Nàrosy

LK-U: Welche Grundsatzpapiere oder Personen geben Dir für Deine Arbeit Orientierung? Thomas Nárosy: Drei Dinge fallen mir ein. Erstens die drei Bände Hattie. Es geht darin um Lernen in jeglicher, auch in lernpsychologischer Hinsicht. Zweitens eine Studie von Robert Coe, Durham University: What makes great teaching? Das Dritte ist der Sager von meinem Kollegen Edmund Huditz, Koordinator eLSA advanced:„Auch der Islamische Staat ist digital kompetent“. Will heißen: Digitale Kompetenz kann man nie kontextlos sehen.
Zusammengefasst möchte ich sagen: Das Motto der NMS E-Learning-Unterstützung lautet „Kein Kind ohne digitale Kompetenzen!“. Dieser Fokus ist wesentlich und richtig und da gibt es noch viel zu tun. Und – das reicht aber nicht. Man kann digitale Kompetenzen nur im Zusammenhang mit Unterricht und Lernen sehen, und man muss sich immer anstrengen, die eigene Expertise in einem möglichst aktuellen Gesamtverständnis von Schule, Lehren, Lernen, Bildung zu sehen, sonst sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ohne Wertefragen, ohne Fragen nach dem politischen System etc. ist digitale Kompetenz nicht zu haben und ist auch kein hinreichendes Ziel.
LK-U: Welchen Bildungsbereich hast Du im Blickfeld? Thomas Nárosy: Schule inklusive LehrerInnenbildung. LK-U: Was waren die wichtigsten Veränderungen in diesem Bereich, seit Du ihn aktiv mitverfolgst und -gestaltest? Thomas Nárosy: Die wichtigsten Veränderungen sind solche, die wir „alteingesessenen“ E-LearnerInnen oft gar nicht mitbekommen. Es gibt eine wachsende „anonyme“ E-Learning-Szene, die gar nicht von E-Learning spricht, da sie selbst gar nichts besonderes daran finden, Tablets oder Handys im Unterricht einzusetzen, wie bspw. die 26-jährige Mathematiklehrerin meiner Tochter. Es würde ihr seltsam erscheinen, deshalb bspw. Teil des KidZ-Projekts zu werden. Oder z.B. die Direktorin einer PH-Praxisschule, die – nachdem sie aufmerksam meinen Ausführungen zu KidZ-Klassen gelauscht hat – sagt: „Ehm...dann haben wir nicht eine KidZ-Klasse sondern dann sind wir eine ganze KidZ-Schule, wir arbeiten in jeder Klasse so“. Wir wissen in Österreich wenig über die E-Learningpraxis. E-Learning und E-Education sind in Österreich kaum beforscht und schwach koordiniert. Es gibt aber zwei Zäsuren im Bildungssystem, die m.E. tatsächlich eine große Veränderung darstellen: Erstens ist bemerkenswert, dass so ein großes Reformprojekt wie die Neue Mittelschule mit einem sauber finanzierten digitalen Standbein – von vornherein, in der Konzeption - ins Rennen geschickt worden ist, welches so Jahr für Jahr verlässlich seine Wirksamkeit entfalten kann. Die zweite Sache, die mir - als ehemaligem Leiter der e-LISA Academy – bedeutsam erscheint ist die Tatsache, dass es jetzt eine Virtuelle Pädagogische Hochschule (VPH) gibt. Die VPH wurde - sozusagen als „vierte Reinkarnation“ von LISA - ins Regelwesen und in die Regelbudgets hereingenommen, leistet hervorragende Arbeit und ist den SchulleiterInnen und eLearning Kontaktpersonen der NMS mittlerweile zu ~90% bekannt. LK-U: Was sind für Dich aktuelle Projekte/Erlässe/Initiativen/Practices, von denen Du Dir am meisten versprichst? Thomas Nárosy:- digikomp8 Initiative: Schafft Verbindlichkeit trotz fehlendem Unterrichtsgegestand. Dass digikomp8 umgesetzt wird erkenne ich an vielen vielen Gesprächen, unter anderem auch mit der Schulaufsicht und im Ministerium. Vor allem arbeiten wir im NMS-Bereich selbst an der Umsetzung – evidenzorientiert. Die Implementierung wird vom BIFIE evaluativ begleitet im NMS-Bereich.
- Im AHS-Zusammenhang ist der IT-KustodInnenerlass als zukunftsweisend zu erwähnen, dem ich viel Potenzial beimesse. Die Personen und die Ressourcen sind auch im AHS-Bereich vorhanden, es muss nur jemand in die Hand nehmen. digikomp8 würde keine Mehrkosten verursachen. Daher ist dieser Erlass auch als zukunftsweisende, bemerkenswerte Inititative zu nennen.
- Mathematik Neue Reifeprüfung: Die Tatsache, dass sie ab 2017 teils digital abgelegt werden muss, ist ein Innovationstreiber.
- VPH/Onlinecampus/LehrerInnen-Vernetzung: Der virtuelle Raum wurde und wird weiter als Plattform für pädagogische Professionalisierung entdeckt. Es gibt 21.000 registrierte User am Onlinecampus, fast 1/5 aller LehrerInnen. Es wurde denkmöglich, das Internet als „Intranet für die pädagogische Profession“ wahrzunehmen, inklusive Wissenmanagement und Online-Lernformern für LehrerInnen.
- www.NMSvernetzung.at: Leute, die genuin nichts mit E-Learning zu tun haben, nutzen mit großer Selbstverständlichkeit digitale Werkezuge und Medien zur Vernetzung und zur pädagogischen Professionalisierung.
- www.virtuelle-ph.at VPH: Die Nachfrage nach VPH-Online-Lernangeboten ist derzeit 2-3 Mal so hoch wie die Budgetmittel es erlauben. Immer mehr online angebotener Themen haben inhaltlich gar nichts mehr mit E-Learning zu tun. Eine zunehmen Menge von LehrerInnen traut sich selbstverständlich zu, Online-Lernangeboten zu folgen.
Ja oder Nein? Zum Abschluss des Gesprächs wird Thomas Nàrosy gebeten, in aller Kürze Stellung zu aktuellen und teils heftig debattierten Fragen zu nehmen. Unterrichtsgegenstand IT? Ja, auch in der Mittelstufe. 1 Stunde würde sich im Rahmen der Stundentafel auch schulautonom einbauen lassen. Programmieren für alle? Ja, alle sollten einmal in der Mittelstufe irgendwas programmiert habe. Das ließe sich hervorragend in den Mathematikunterricht integrieren. Sollen SchülerInnen IT-BetreuerInnen ihrer Schule sein? Nein, außer evtl. in einer Fachschule für IT-SchülerInnen. Schließlich setzt man ja auch die Schüler/innen nicht für Infrastrukturdienste wie Schulreinigung oder Energieversorgung/Heizung ein … ;-) Sollen LehrerInnen zum Einsatz IT verpflichtet werden? Ja. Ich muss digitale Medien so beherrschen, dass ich den Ansprüchen meines Faches und meiner SchülerInnen gerecht werde – auf der Höhe der Zeit. Zum Beispiel: Einsatz von Tabellenkalkulation und Geogebra in Mathe – diese digitalen Medien und Werkzeuge verbessern meine Möglichkeiten zur flexiblen Differenzierung und machen meinen Unterricht instruktiver. Und ich muss digitale Medien und Werkzeuge für meine eigene Weiterbildung einsetzen können. Schreibschrift abschaffen? Nein, das würde ich nicht.
LK-U: Danke für das Gespräch!