10.02.2015
BlogDossier 1 - BildungDossiers
Es ist schon seltsam: Wenn es um die Digitalisierung geht, dann sprechen alle von einer Revolution. Unser Bildungssystem, das die Menschen befähigen sollte, von der Digitalisierung zu profitieren und den Wandel aktiv mitzugestalten, ist allerdings weit entfernt von revolutionären Umbrüchen. Der gesellschaftlichen Realität des 21. Jahrhunderts steht ein Schulsystem gegenüber, das in seinen Grundzügen jenem des 19. Jahrhunderts entspricht. Obwohl niemand bestreitet, dass sich hier etwas ändern muss, hat sich die Politik so tief in ideologischen Stellungen eingegraben, dass sich im Großen gar nichts mehr bewegt.
Im Kleinen tut sich aber sehr viel. Engagierte Pädagoginnen und Pädagogen, ambitionierte Pilotprojekte bzw. Schulversuche nutzen die gegebenen Rahmenbedingungen bestmöglich aus, um Kindern die Digitalisierung näherzubringen. Schulen und Universitäten arbeiten mit innovativen E-Learning-Formaten. Unternehmen und private Initiativen versuchen, digitale Kompetenz zu vermitteln. Wir haben uns vorgenommen, einige dieser positiven Beispiele auf WerdeDigital.at zu sammeln. In den nächsten Wochen werden wir eine Reihe von Beiträgen publizieren, die unterschiedlichste Aspekte des Themenbereichs „Digitale Kompetenz und Bildung“ beleuchten. Dabei geht es uns einerseits darum, den vielen kleinen Initiativen mehr Sichtbarkeit zu geben und Menschen zur Nachahmung zu inspirieren. Andererseits wollen wir aber auch den Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen aufzeigen. Gesellschaftlicher Wandel und die Digitalisierung sind zwei Seiten derselben Medaille und je besser Menschen aller Altersgruppen sich in der digitalen Sphäre zurechtfinden, desto mehr können sie davon profitieren und den Wandel selbst mitgestalten. Wir haben unsere Beiträge in drei thematische Blöcke gegliedert: Schule, Universitäten und Erwachsenenbildung.
Bei der Präsentation unseres Leitfadens „Das neue Arbeiten im Netz“ brachte Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS), ein plastisches Beispiel: Früher war die wichtigste Qualifikation für einen Lagerarbeiter seine Körperkraft. Heute kommt eine weitere Anforderung dazu: Er muss auch eine Lagerhaltungssoftware bedienen können. Das zeigt sehr schön, dass grundlegende Anwendungskenntnisse in allen Bevölkerungsschichten und Altersklassen nötig sind. Österreich liegt bei diesen so genannten ICT-Skills knapp über dem europäischen Durchschnitt. Das ist grundsätzlich ein zufriedenstellender Wert. Allerdings sollten wir dabei bedenken, dass unsere Wirtschaft und unser Wohlstand künftig stärker als in anderen Ländern von diesen Skills abhängig sind.
[Bild 1: Screenshot Digitale Agenda Scoreboard Workers who judge their current ICT Skills sufficient for changing job]
Quelle: http://digital-agenda-data.eu/
„Digitale Kompetenz“ ist allerdings viel mehr als zu wissen, wie Smartphone oder Tablets bedient werden, oder wie man Informationen im Internet auffindet. US-Präsident Obama hat Mitte 2014 die Parole ausgegeben, Amerika solle zu einer „Nation of Makers“ werden. Damit hat er Gestaltungswillen und -möglichkeiten der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg definiert. Das sollten wir in Europa sehr ernst nehmen. Auch wir brauchen diesen Geist. Die Basis dafür sind ein grundlegendes Verständnis der Technologien, mit denen wir arbeiten und das Wissen über deren Einsatzmöglichkeiten. Expertinnen und Experten fassen das unter dem Begriff „Computational Thinking“ zusammen. Damit ist eine Problemlösungskompetenz gemeint, die unabhängig von konkreten Technologien oder Programmiersprachen ausgebildet werden kann und muss. Damit kann man schon im Kleinkindalter beginnen. Dafür gibt es Spiele und Übungen, für die man keine Computer braucht. Dafür braucht man auch nicht unbedingt eine Laptop- oder iPad-Klasse. (Mehr zu Computational Thinking)
Beim Einsatz von Computern im Unterricht liegt Österreich unter dem EU-Schnitt. Unser Alltag – ob im Beruf oder in der Freizeit – ist geprägt von digitalen Tools. Die Schulen hinken dieser Realität hinterher. Jede Anstrengung, dieses Missverhältnis auszugleichen, ist uns willkommen. In dem Dossier_Bildung möchten wir erfolgversprechende Beispiele und Initiativen vorstellen, und die Vernetzung untereinander und die Verbreitung in neue geografische Bereiche anregen.
[Bild 2: Screenshot Digitale Agenda Scoreboard Computers for educational purposes, Grade 4, Primary School]
Quelle: http://digital-agenda-data.eu/
Ich wurde im Jahr 2013 vom Bundeskanzleramt zum „Digital Champion“ bestellt. In dieser von der EU-Kommission definierten Rolle habe ich die Aufgabe, Initiativen zu vernetzen, die die Ziele der Digitalen Agenda der EU unterstützen. Mit der Plattform WerdeDigital.at leisten wir einen Beitrag dazu. Das machen wir etwa mit unserem Leitfaden „Das neue Arbeiten im Netz“ oder mit unserer „Digitalen Landkarte Österreichs“, in der wir möglichst alle Bildungsangebote aus Österreich sammeln wollen, die digitale Kompetenzen vermitteln.
Wir bei WerdeDigital.at wollen die digitale Kluft schließen und Bewusstsein dafür schaffen, dass wir alle die Möglichkeit haben, aktiv an diesem Wandel mitzuwirken. Das Bildungssystem spielt eine zentrale Rolle dabei.
Daher starten wir heute am Safer Internet Day 2015 mit der Veröffentlichung des ersten von 15 Dossierbeiträgen zu „Digitale Kompetenz und Bildung“. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre in den kommenden sechs Wochen und freuen uns auf Ihre Erweiterungen und Anregungen zu den Beiträgen in den Kommentaren.
Meral Akin-Hecke,
Digital Champion Austria
WerdeDigital.at
Institut zur Förderung digitaler Mediennutzung