03.12.2015
BlogDossier 2 - ArbeitsweltDossiers
Share Economy – ein Begriff, der seit Airbnb und Uber in aller Munde ist. Dahinter steckt das Konzept des gemeinsamen Konsums – also das Teilen von Produkten, Dienstleistungen, Immobilien oder Transportmöglichkeiten mit seinen Mitmenschen für einen kurzen Zeitraum. Natürlich gab es dieses Phänomen auch schon vor der Erfindung des Begriffes, aber mit stark lokaler Begrenzung. Die Digitalisierung erweitert den Radius des Teilens und Tauschens, teilweise sogar auf die ganze Welt. So zählen Airbnb und Uber mit einer Bewertung von rund zehn Milliarden Dollar zu den teuersten Start-ups weltweit.
Engagierteste Protagonisten: Generation Y
Die engagiertesten Protagonisten der Share Economy sind die Menschen der Generation Y, zwischen 25 und 35 Jahre alt. Für sie ist die Teilnahme an dem Phänomen ideologisch geprägt, im Sinne der Nachhaltigkeit und Schonung der Umwelt, aber auch als Teil des Lifestyles – und nicht zuletzt: der Kosten/Nutzen-Rechnung. Was nun alles zur Share Economy zählt, ist Auslegungssache – neben logischen Teilnehmern wie Carsharing oder Übernachtungsportale zählen auch Coworking-Spaces, Dienste wie Spotify oder Tausch- und Schenkbörsen dazu. Eines der wichtigsten Merkmale für das digitale Teilen ist das Thema Vertrauen: Kaum eine Share Economy-Plattform kommt ohne Bewertungen, Kommentare oder Referenzen aus. Der Erfolg von Plattformen wie Uber und Airbnb ruft aber auch Kritiker auf den Plan: Hoteliere wie Taxiunternehmen weltweit sind überzeugt, dass diese milliardenschweren Unternehmen nicht mehr viel mit Teilen zu tun haben, sondern ohne auf die landesüblichen Regelungen Rücksicht nehmen zu müssen, einfach nur Profit machen wollen.
Österreich: Tendenz steigend
Auch in Österreich wird vieles im Sinne der Share Economy geteilt, auch schon vor der Digitalisierung – man denke nur an die gemeinschaftliche Benutzung von Forstwegen oder Wanderwegen. Unter dem Dach des „Maschinenring“ werden zum Beispiel seit 1960 gemeinschaftlich Maschinen und Geräte in der Landwirtschaft genutzt. Aber auch das digitale Teilen wird populärer: Seit 2012 betreiben Vladlena Taraskina und Matthias Kubicki unter dem Namen „Key to office“ ein Service, bei dem Büro- Seminar- und Schulungsräume-Räume kurzfristig online vermittelt werden. Sie erstellen jedes Jahr eine Übersicht über die heimische Sharing Economy, die auch gut die Entwicklung des Phänomens in der heimischen Wirtschaft zeigt: „Als wir die Grafik 2013 das erste Mal gemacht haben, haben wir 50 Unternehmen gefunden, 2014 waren es 76 Unternehmen und jetzt 2015 bereits 106 Unternehmen“, erzählt Kubicki.
Kostenersparnis wichtig
Bei ihrem Start 2012 hatten es die beiden noch schwer, Menschen für das Thema Share Economy zu begeistern. „Damals waren die Menschen extrem skeptisch, aber jetzt merkt man schon ein Umdenken. Der Besitz von Dingen ist nicht mehr so wichtig, aber der Zugang dazu gewinnt an Bedeutung“, so der Key to office-Geschäftsführer. Für sein Unternehmen heißt das: Rund 1.000 Buchungen pro Jahr, hauptsächlich von Geschäftsreisenden, Unternehmen und Coaches. Ein ähnliches Bild vermittelt auch eine Mindshare-Studie vom September 2015. Dafür wurden 493 User von 15 bis 59 Jahre zu den die bekanntesten Sharing Economy-Plattformen und den Motiven, sie zu nutzen, befragt. Ganz oben rangieren dabei Carsharing- und Übernachtungsportale. Die Vorteile beim Teilen eines Autos sehen die Nutzer in der Preisersparnis (37 Prozent), Flexibilität (16 Prozent) und als Alternative zu einem eigenen Auto (15 Prozent). Aus Umweltgründen machen dies nur sieben Prozent. Ähnlich auch das Ergebnis bei Airbnb und Co.: 12 Prozent der Befragten haben bereits einen Übernachtungsanbieter genutzt, die meisten davon Airbnb. Vorrangig ist bei den Buchungsgründen die Kostenersparnis (63 Prozent), dann folgt das persönlichere Reiseerlebnis (16 Prozent) und die größeren Zimmer (12 Prozent).
Potential von 15 Milliarden weltweit
Was die Kritik von Hotellerie und Taxiinnung an Uber und Airbnb konkret angeht, rät Kubicki, die Kirche im Dorf zu lassen: „Technologien kennen keine nationalen Grenzen. Ich verstehe, dass lokale Player verärgert sind, aber die Mentalität und die Bedürfnisse der Menschen ändern sich, und auch die Nachfrage ist eine andere. Wenn lokale Unternehmen die Bedürfnisse nicht befriedigen können, dann müssen wir uns damit abfinden, dass USA uns den Markt diktiert“, sagt er klipp und klar. Dementsprechend sei es nur eine Frage der Zeit, dass mehr Internetunternehmen auch in anderen Branchen ihren Teil vom Kuchen beanspruchen. So gibt Benita Matofska, Expertin für die globale Sharing Economy, das weltweite Marktpotential der Branche mit 15 Milliarden an, bis 2025 sollen es bereits 335 Milliarden Dollar sein: „Die Sharing Economy wächst schneller als Facebook, Google und Yahoo zusammen“, sagt sie. Kubicki plädiert daher darauf, in Europa mehr Platz für Innovationen zuzulassen: „In den USA ist man da viel offener, es wird auch mehr Geld für neue Geschäftsmöglichkeiten bereitgestellt. So werden eben innovative Services entwickelt, die dann global gepusht werden.“
Nachbarschaft online für offline stärken
Think global, act local – das könnte man auch bei einem ganz anderen Start-up aus der österreichischen Share Economy-Szene sagen: Mit „Fragnebenan“ hat Stefan Theißbacher im vergangenen Jahr ein Nachbarschaftsnetzwerk gegründet. Der Grundgedanke dahinter: „Wir wollen, dass sich unsere User in der Nachbarschaft wieder stärker zu Hause fühlen“, führt er aus. So werden auf dem eigenen Profil nur User aus der unmittelbaren Umgebung angezeigt. „Unsere Nutzer sollen sich gegenseitig Unterstützung im Alltag geben, Wissen austauschen und Ressourcen abzapfen – wie zum Beispiel, wo ist ein guter Arzt in der Nähe, wie komme ich zu einem guten Handwerker. Wir wollen aber auch Menschen mit ähnlichem Interesse verbinden.“
Mehr Couchsurfing als Airbnb
Die Idee dazu kam dem gebürtigen Kärntner, als er vom Land in die Stadt gezogen ist. „Ich brauchte eine Bohrmaschine, und alle meine Freunde waren über ganz Wien verstreut. In meinem Haus gab es wahrscheinlich zwanzig davon, aber ich kannte niemanden.“ Die Kritik, dass hier menschliche Kontakte durch digitale ersetzt werden, lässt er nicht zu: „Es ist genau umgekehrt: Wir nutzen das Digitale, um Offline-Kontakte herzustellen. Facebook zum Beispiel macht das umgekehrt, sie bringen echte Kontakte ins Netz.“ Demnach sieht sich „Fragnebenan“ – das mittlerweile auf rund 18.000 Nutzer angestiegen ist – auch nicht auf einer Ebene wie Airbnb, sondern eher wie Couchsurfing, erklärt Theißbacher. „Bei uns wird kein Geld eingesetzt, sondern man tut jemanden einen Gefallen, hilft ihm aus.“ Dennoch hätten auch kommerziellere Plattformen ihre Berechtigung, findet er: „Die bewegen sich teilweise schon in einem Graubereich – aber das muss es auch geben.“
Österreichern fehlt es an Risikobereitschaft
Wie Kubicki beobachtet auch Theißbacher das steigende Potential für Share Economy in Österreich: „Das Thema wird immer präsenter, es gibt auch immer mehr Projekte, auch auf Ebene von Organisationen, wie zum Beispiel ViennaShares.“ Oft hapere es dabei aber an der ganzheitlichen Umsetzung: „Ich kenne von den neuen Share Economy-Projekten keines, dass richtig groß geworden ist. Die Plattformen sind stark von Idealismus getragen, oft werden sie nur nebenbei betrieben“, sagt er. Als Grund dafür sieht er weniger unüberwindbare gesetzliche Hürden, sondern eher hausgemachte: „Das Schwierigste ist der Schalter im Kopf, der umgelegt werden muss. Das Risiko auf sich zu nehmen, das trauen sich viele nicht“. Dabei handle es sich auch um eine Kulturfrage, ist der Fragnebenan-Geschäftsführer überzeugt: „Bei uns in Österreich gibt es eine große Angst vor dem Scheitern.“
Links:
Key to office: Überblick über Shared Economy in Österreich 2015
Erkenntnisse zu Shared Economy von Benita Matofska, Geschäftsführerin von Compare and Share
WerdeDigital.at
Institut zur Förderung digitaler Mediennutzung