04.12.2015

Jobsuche im Netz / #Dossier_Arbeitswelt #6

BlogDossier 2 - Arbeitswelt

Hat der Lebenslauf ausgedient? Die klassische Bewerbungsunterlage in Papierform wird immer stärker von digitalen Visitenkarten, ausführlichen Profilen in Karrierenetzwerken wie XING oder LinkedIn und entsprechenden Postings abgelöst. Die Jobsuche ist längst nicht mehr ausschließlich etwas Persönliches oder gar Geheimes, im Gegenteil: Die digitale Selbstvermarktung boomt auch im Bereich Karriere und eröffnet sowohl BewerberInnen als auch Unternehmen neue Möglichkeiten und Chancen, birgt aber auch Risiken. Lohnt es sich, sein Online-Image zwecks Jobsuche zu pflegen und ganz bewusst so zu gestalten, dass potentielle Arbeitgeber aufmerksam werden?

Das Ich als Marke

Dass das eigene Facebook-Profil für den Arbeitgeber eine Rolle spielen könnten, wissen wir spätestens seit dem Fall im Sommer dieses Jahres, als ein Porsche-Lehrling seine Stelle verlor, nachdem er sich fremdenfeindlich auf Facebook geäußert hatte. Aber auch Partyfotos und abschätzige Bemerkungen über (ehemalige) Arbeitgeber können Anlass sein, den Arbeitgeber zu verärgern.  In einer von CareerBuilder durchgeführten Umfrage im Jahr 2014 kam heraus, dass die der Arbeitgeber bereits BewerberInnen abgesagt hatten, weil sie auf deren Social Media Profilen Inhalte fanden, die sie für nicht passend befanden.

Aber vor allem im Bewerbungsprozess spielt die eigene Online-Präsenz eine Rolle: Viele Menschen, die gerade auf Arbeits- oder Projektsuche sind, aktualisieren genau dann ihre Online-Präsenz, wagen einen Blick in die Suchmaschinenergebnisse zu ihrem Namen und bringen auf Karrierenetzwerken wie LinkedIn und XING ihre Kompetenzen, Qualifikationen und Erfahrungen auf den neuesten Stand. Auf diese Weise soll potentiellen ArbeitgeberInnen ein seriöses und kompetentes Bild des Bewerbers/der BewerberIn vermittelt werden.

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Für die Jobsuche selbst werden Facebook & Co nur relativ selten genutzt: Aus der Studie StepStone Recruiting Trends 2013 geht hervor, dass Soziale Netzwerke nur an neunter Stelle auf der Liste der am häufigsten genutzten Recruiting-Kanäle stehen. Hier spielen Karriere-Suchmaschinen wie monster.at oder karriere.at mit einer Nutzungsrate von 90 Prozent unter Jobsuchenden eine weitaus größere Rolle. Von Arbeitgeberseite ist XING jenes Netzwerk, das im Bereich Social Recruiting am meisten verwendet wird.

Kampagne in eigenem Auftrag

Einen Schritt weiter gehen jene Arbeitssuchenden, die sich nicht nur möglichst gut darstellen wollen, falls das Unternehmen, bei dem die Bewerbung eingegangen ist, genauer recherchieren sollte, sondern die klassische Aufteilung in ArbeitssuchendeR/ArbeitgebendeR aufbrechen und die Unternehmen dazu auffordern, sie zu umwerben.

Digital-Strategin Petra Köstinger hat versucht, mit ihrer Kampagne #jobschmankerl  einen neuen Arbeitgeber zu finden. Ganz bewusst legte sie in einem Blogbeitrag die Gründe für ihre Kündigung bei ihrem alten Arbeitgeber dar und schilderte, was für eine Arbeit sie sich vorstellte. Warum der große Aufwand? „Ich war frustriert von den wenigen interessanten Angeboten auf den Jobportalen und dachte mir: Warum probier ich’s nicht mit einer Kampagne für mich selbst? Ich wollte ja einen Job im Bereich digitale Kommunikation. Mit der Aktion konnte ich zeigen, dass ich Ahnung davon habe.“ Die Kampagne funktionierte: 150 Shares und Beiträge, 3000 Blogbeitrags-Aufrufe und 20 Kontaktaufnahmen von Unternehmen. „Die Unterstützung war riesig – schlussendlich habe ich meinen jetzigen Job über einen Share auf Twitter bekommen.“ Auf ähnliche Weise versucht gerade der Linzer Online-Kommunikationsexperte Daniel Friesenecker, seine neue Traumposition zu finden: Er schildert in seiner Ausschreibung, nach welcher Art von Arbeit er sucht und was er von seinem künftigen Arbeitgeber erwartet; für ihn ist diese Art der Arbeitssuche ein Experiment.

Die Chancen der Selbstvermarktung

Aber warum so viel Arbeit in die Selbstvermarktung investieren, anstatt klassische Bewerbungen zu verschicken? Petra Köstinger: „Weil ich wusste, dass viele offene Stellen gar nie den Weg in die Jobportale finden. Dafür musste ich mein Netzwerk anzapfen. Die #jobschmankerl Kampagne schien mir der beste Weg. Außerdem find ich den klassischen Bewerbungsprozess mit Lebenslauf und Motivationsschreiben altmodisch und wenig aussagekräftig. Ich bin überzeugt, diese Aktion hat viel mehr über mich vermittelt. Es war die beste Möglichkeit, einen Job zu finden, der zu mir passt.“

Ist die digitale Selbstvermarktung bei der Jobsuche zur Notwendigkeit geworden? „Es ist sicher nicht die wichtigste Sache der Welt. Es trägt aber dazu bei, positiv (oder auch negativ, etwa durch unpassende Posts) aufzufallen. In manchen Berufen kann eine gute Selbstpräsentation ein großes Plus sein, z.B. im Marketing oder im Journalismus. Sie führt mitunter zu einer hohen Reichweite, die für Unternehmen sehr wertvoll sein kann.“

Gutes Idee – mit einigen Haken

Die Selbstvermarktungskampagne als Erfolgsgarantie? Ganz so einfach ist es nicht. Wer sich selbst anpreist, muss sein/ihr Handwerk verstehen. Die Kommunikationsbranche eignet sich besonders gut dafür, eben jene Skills unter Beweis zu stellen, die im späteren Job dann auch gefragt sein werden.

Der Aufwand einer solchen Eigen-Kampagne ist ebenfalls nicht zu unterschätzen: wer diese auf professionellem Niveau betreiben und auf möglichst vielen Kanälen verbreiten will, muss viele Stunden Arbeit investieren.

Und dann? Bleibt immer noch ein Restrisiko. Petra Köstinger: „Meine Aktion hätte auch komplett peinlich enden können, wenn niemand mitmacht hätte. Man kann es auch nie allen recht machen: Eine Person sagte mir, sie fand meine Aktion überheblich.“

Auch wenn die Eigenkampagne nicht für alle Branchen und Personen die am besten geeignete Methode ist, um potentielle ArbeitgeberInnen auf sich aufmerksam zu machen – ein Blick auf die eigene Social Media Präsenz lohnt sich während der Jobsuche allemal. In einer Umfrage von CareerBuilder  wurden PersonalerInnen nach den seltsamsten Postings gefragt, die sie auf Profilen von BewerberInnen gefunden hatten. Die Antworten muten skurril an, könnten aber tatsächlich ein Hindernis für die künftige Karriere werden:

„Candidate posted a photo of a warrant for his arrest
Candidate posted an exercise video for grandmothers
Candidate featured a pig as his closest friend“

Quellen:

Safer Internet: Mein Ruf im Netz – Auswirkungen auf die berufliche Zukunft 

Stepstone Recruiting Trends 2013

Social Media Recruiting Studie 2014 Österreich

CareerBuilder Survey

14 kreative Bewerbungen, die aus der Masse herausstechen

Website von Daniel Friesenecker

Website von Petra Köstinger